Fachvortag: Wasserstoff - Kraftstoff zukünftiger Mobilität?
Fachvortrag von Prof. Dr. Ing. Hermann Rottengruber
Forschungsinstitut für mobile Systeme in Magdeburg
Trotz widriger Wetterumstände kamen rund 20 Zuhörer zum Fachvortrag von Herrn Prof. Rottengruber am 1. Dezember 2023 in den Vortragssaal des Bergbaumuseums in Achthal.
In seinen Einführungsworten zitierte Vorstand Roland Klosa vom Förderverein Bergbaumuseum Achthal aktuelle Berichte aus der Presse über den Wasserstoff als Zukunftstechnologie und übergab dann das Wort an Prof. Hermann Rottengruber.
Herr Rottengruber ist selbst gebürtiger Bayer und war früher auch leitender Ingenieur bei BMW, wo er schon in jungen Jahren an der Wasserstoffthematik forschte. Wasserstoff an sich wird schon länger in industriellen Prozessen und als Rohstoff verwendet. Ja sogar Jule Verne hatte bereits in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ 1874 vom „Wasser als die zukünftigen Kohle“ gesprochen, heute würden wir sagen „Wasser als das zukünftige Erdöl“.
Doch dazu bemerkt Prof. Rottengruber, dass der Wasserstoff, von dem hier die Rede ist, sogenannter „grauer Wasserstoff“ sei, der aus Erdgas gewonnen wird und zu über 90 % derzeit in der Industrie Verwendung findet. Als Produkte nannte er z. B. Ammoniak, das als wichtiger Grundstoff für die Düngemittelproduktion verwendet wird. Dazu erläuterte er die verschiedenen Gewinnungsarten von Wasserstoff, vom grauen, blauen, braunen bis zum grünen Wasserstoff. Und genau um diesen dreht sich momentan die aktuelle Diskussion, weil im Sinne des Klimawandels und der daraus folgenden Decarbonisierungspolitik Wasserstoff rein aus regenerativen Energieträgern gewonnen werden soll.
Besonders beindruckt waren die Zuhörer in Achthal von der ungeheuren Energiemenge, welche in den industriellen Prozessen benötigt wird. Und hier wird nicht nur von elektrischer Energie gesprochen, die nur rund 30 Prozent ausmacht, sondern vielmehr von der elementaren Energie (fossile Brennstoffe), welche derzeit mit 70 Prozent Bedarf veranschlagt werden. Wenn also in Zukunft nicht nur die heute Elektrizität, sondern auch die elementare Produktionsenergie kohlendioxidfrei ersetzt werden soll, dann sprechen wir nicht von 40 Prozent Energie, welche heute in Deutschland bereits „klimaneutral“ verwendet wird, sondern von derzeit lediglich 15 Prozent. Prof. Rottengruber bezeichnet daher die Ziele, bis 2045 völlig klimaneutrale Energie zu verwenden, als kaum realistisch.
Als Beispiel nannte er die Stahlproduktion. Wenn man diese völlig auf Wasserstoff als Energieträger umstellen möchte, dann bräuchte man dazu rund ein Fünftel der gesamten derzeit in Deutschland verwendeten Energie. Und hier sprechen wir nur von der Stahlproduktion. Es folgen die Chemieindustrie und viele mehr. Allerdings sind hier die Forschungsproduktionsanlagen erst im Anfangsstadium. Hier verwies er auf die signifikanten Unterschiede der Energieleistungsproduktion für grünen Wasserstoff z.B. im Industriepark Leuna mit Energie aus Sonne und Wind im Vergleich zu einem Atomkraftwerk, z. B. im tschechischen Temelin. Gerade Frankreich mit seinen zahlreichen Atomkraftwerken pocht daher in der der EU auf die Zertifizierung der Atomenergie als „grüne Energie“.
Deshalb ist auch der Politik in Deutschland klar, dass in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland, wo nicht immer die Sonne scheint oder der Wind weht und auch keine Atomkraftwerke mehr im Betrieb sind, auch künftig diese gigantischen Energiemengen nicht verfügbar sein wird. In seinem „Weltatlas für Wasserstoffproduktion“ verweist der Professor daher auf Länder wie Chile, Marokko oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die bereits heute in der Lage sind, eine KWh für rund 1,50 bis 2 Cent anzubieten. Dazu referierte Prof. Rottengruber dann ausführlich über die verschiedenen Transportmöglichkeiten von Wasserstoff, wobei in flüssiger Form dies kaum möglich sein wird, da der Siedepunkt beim minus 252,9 Grad Celsius liegt und somit nur rund 20 Grad höher als der absolute Nullpunkt bei minus 273,15 Grad Celsius. Am besten eignet sich derzeit die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak oder Methanol, das zukünftig mit nur wenig Umrüstungen auch im bestehenden Erdgasnetz transportiert werden kann.
Im letzten Teil lenkte Prof. Rottengruber den Blick auf die Mobilität und insbesondere auf die Eignung von Wasserstoff als Energieträger. Als Ergebnis kann festgehalten werden, das leichte Kraftfahrzeuge oder LKW in der Kurzstrecke entweder elektrisch oder mit Wasserstoff als Brennstoffzelle durchaus mit großem Wirkungsgrad betrieben werden können. Allerdings, so auch die Antwort auf eine Zuhörerfrage, ist die Technik der Brennstoffzelle sehr komplex und teuer, welche auch durch zukünftig größere Stückzahlen nicht signifikant im Preis sinken wird, da dann die benötigten Rohstoffe wie Platin rasant zunehmen werden. Und man darf nicht vergessen, neben der Brennstoffzelle braucht das Kfz auch noch die elektrotechnische Ausstattung für den Betrieb.
Wenn Fahrzeuge allerdings in Volllast fahren, z. B. Langstrecken-LKW, dann geht der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle stark zurück. Rein elektrischer Antrieb scheitert hier schon an den schnellen und riesigen Strommengen, die dann an den Ladesäulen zur Verfügung stehen müssten. Dies mag vielleicht noch für einen LKW realisierbar sein, wenn aber an der Raststätte gleichzeitig 50 LKW mit einer Lade-Leistung von einer MWh laden möchten, kann man sich ausmalen, wie unrealistisch dies derzeit ist. Hier wird man mittelfristig am Verbrennungsmotor nicht vorbeikommen. Derzeit wird auch an der direkten Verbrennung von Wasserstoff im Motor geforscht, was Herr Rottengruber an den Forschungsbildern erläuterte.
Als Fazit kann festgehalten werden: Für kurze Fahrstrecken mit leichten Fahrzeugen wird in Zukunft die Elektromobilität eine gewisse Rolle spielen. Für mittellange Strecken und Fahrzeuge im mittleren Gewichtsbereich (Zuliefer-LKW) kann der Antrieb mit Wasserstofftechnologie, z. B. in Form von Brennstoffzellen realistisch werden. Für Spezial-LKW (Kipper, Bagger) und Langstreckenfahrzeuge (LKW, Eisenbahn, Flugzeuge) kommt man derzeit kaum an der Verbrennungstechnologie vorbei, entweder mit bisherigen Treibstoffen oder später auch mit der direkten Verbrennung von Wasserstoff.
Professor Rottengruper schloss seinen Vortrag mit der Frage seiner Studenten, was er heute für ein Fahrzeug fährt, „mit einem Diesel“ und auf die Frage, was er denn in fünf Jahren fahren werde, … „auch mit einem Diesel“.
Zusammenfassung:
· Energiespeicherung NUR in Form elektrischer Energie ist in den meisten industriellen und mobilen Anwendungen nicht sinnvoll
· Nachhaltige CO2-neutrale Kraftstoff-Quellen werden mehr und mehr mittel- und langfristig attraktiv
· Wasserstoff ist der gängigste nachhaltige Kraftstoff basierend auf elektrischer Energie
· Brennstoffzellen spielen eine wichtige Rolle im Bereich stationärer wie mobiler Anwendungen
· Angepasste wasserstoffbetriebene Verbrennungsmaschinen sind in der Tat eine interessante Lösung bei verschiedenen Anwendungen,
speziell im Schwerlastbereich
Ausblick:
· Batteriebetriebene Züge sind nicht effektiv, speziell im Schwerlasteinsatz
· Vorteile wasserstoffbetriebener Einsätze sind
- „Null“ oder wenig CO2 Emissionen während Nutzungsdauer
- Infrastruktur- und Nachfüllzeit-Vorteile
· Herausforderungen bestehen bei Entwicklung
- von H2-Direkteinspritz-Motoren für Schwerlast
- bei Reduktion des Platin-Anteils beim Katalysator
- Temperaturmanagement in Anwendung bei Fahrzeugen