Fachvortag: Prof. Dr. Günther E. Thüry, von der Universität Salzburg, Fremde im Rupertiwinkel zur Zeit der Römer

 

Wie Integration zu Roms Zeiten gelingen konnte -Lehren für die Gegenwart

Teisendorf/Achthal: Was können die Menschen von heute, vor allem auch die Politiker, von einem Altertumswissenschaftler mit Schwerpunkt auf Provinzialrömischer Archäologie zu dem hochaktuellen, brisanten und leidigen Themen „Migration und Integration“  lernen? Sehr viel, kann  man ohne Zögern sagen, wenn man dem hochinteressanten Vortrag von Prof. Dr. Günther E. Thüry,  von der Universität Salzburg am letzten Donnerstag Abend im Bergbaumuseum „Eisenreich“ Achthal gehört hat.  Als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Museums ist Prof. Thüry, ein großer Kenner der römischen Zeit und Geschichte, der Einladung des Fördervereins gefolgt und hat die vielen Zuhörer in dem  Saal des Museums gelockt. In seiner charmanten Art hat er die Zuhörer in die Zeit vor mehr als 2.000 Jahren entführt, als die Römer in den von Kelten bewohnten Rupertiwinkel kamen. Im römischen Reich herrschte Freizügigkeit, betonte der Redner, das heißt  jeder durfte dorthin ziehen und sich niederlassen, wo er wollte. Die Römer haben zwar Gebiete erobert, aber nicht kolonisiert.  In der Folge kamen nach der Eroberung durch die Römer auch in den Rupertiwinkel viele Fremde („Zugroaste“), darunter nicht nur Römer aus Italien, sondern auch Völker aus anderen Teilen des großen römischen Reiches,  darunter Griechen, Mauretanier oder Kelten aus den römisch besetzten Nachbargebieten. Beweise dafür liefern archäologische Funde wie Inschriften auf mehr oder weniger gut erhaltenen Grabsteinen, Sarkophagen  oder Aschekisten, die man an verschiedenen Orten im Rupertiwinkel wie Freilassing, Anger, Ainring, Fridolfing,  Burghausen oder Teisendorf gefunden hat.  Thüry erklärte die Inschriften auf diesen Funden und wies darauf hin, dass auf vielen römischen Grabsteine auch keltische Namen verzeichnet sind, was auf eine Vermischung der Bevölkerung hinwies und zeigt, dass sich Kelten römischen Standards angepasst haben. Auch lassen die Inschriften Rückschlüsse auf die Beschäftigugen der Zugezogenen zur. So gibt die Inschrift auf einem römischen Grabstein, der beispielsweise im 18. Jahrhundert verbaut in einer Mauer der Stallungen des Dechantshofes in Teisendorf gefunden wurde, einen Hinweise darauf, dass der Verstorbene aus Aquilea stammt und Mitglied eines Inkassounternehmens für Gewerke der Eisengewinnung war.  Demnach ist es wahrscheinlich, dass am Teisenberg schon in römischer Zeit Eisenerz abgebaut wurde, eine interessante  Feststellung gerade für ein Bergbaumuseum. Demnach ist es wahrscheinlich, das am Teisenberg schon in römischer Zeit Eisenerz abgebaut wurde, eine interessante Feststellung gerade für ein Bergbaumuseum. Die Inschrift eines Grabdenkmals aus Feldkirchen, das heute im Rathaus Mitterfelden ausgestellt ist, zeigt, dass der Verstorbene von Beruf Textilfärber war und auf einem römischen Gutshof in der Region gearbeitet hat, auf dem auch Gänse gezüchtet wurden.

Die einheimische Bevölkerung übernahm schrittweise die zivilisatorischen Errungenschaften der Zuwanderer und hat sich dem Standard der römischen Zivilisation angepasst, stellte der Redner fest. Mit der Zeit wurde auch einem steigenden Anteil der Einheimischen  die erbliche römische Staatsbürgerschaft verliehen, letztendlich konnten Provinzbewohner auch Mitglieder im Senat oder sogar Kaiser werden. Aus dem Wissen um die Integrationspolitik im römischen Reich, die nicht auf Zwang beruhte, sondern aus dem Verständnis heraus, Untertanen desselben Reiches zu sein, viele sprachlich und zivilisatorische Gemeinsamkeiten zu haben und letztendlich römische Staatsbürger  werden zu können, formulierte der wissenschaftelr Thüry  „Sieben historische Lehren zur Integration“, die auch heute noch aktuell sind und beachtet werden sollten.

Integration kann dadurch gelingen, das dem Integrationswilligen lohnende Integrationsgewinne in Aussicht gestellt werden. Bei den Römern sei dies beispielsweise der Erhalt der römischen Staatsbürgerschaft gewesen. Erfolgreiche Integration braucht Zeit, in der Antike seien es Jahrhunderte gewesen, so Thüry. Integration bewirkt in beiden beteiligten Gesellschaften Veränderungen, vor allem auch Veränderungen in der Identität. Sie bringt Gewinne und Verluste mit sich und läuft deshalb nie ohne  Reibungen und und Auseinandersetzungen ab. Verlierer der Integration sind immer die, die ihre eigene Kultur unverändert behalten wollen. In nicht säkularisierten Gesellschaften spielt Religion eine große Rolle bei der Integration und kann daran scheitern, wenn Religionen mit Alleingültigkeitsanspruch im Spiel sind. Die Römer, so Prof. Thüry seien gegenüber anderen Völkern, die mehrere Götter verehrten (Polytheismus) sehr tolerant gewesen, die Juden aber seien Aussenseiter geblieben. Grund dafür sei ihr Monotheismus, das heißt die fundamentalistische  Verehrung nur eines Gottes gewesen.

Die Möglichkeiten zur Integration gelangen an ihr Ende, so Thüry, wenn große Massen an Fremden unter Androhung oder Ausübung von Gewalt die Grenzen überschreiten. Die sei in der Antike der Fall gewesen, als der Sturm der Völkerwanderung losbrach. Angelockt vom Wohlstand der Römer und ermutigt durch die nachlassenden Grenzkontrollen sind sie ins Reich eingedrungen und haben Forderungen gestellt. „Mit diesem Phänomen muss also dort  gerechnet werden, wo das Wohlstandsgefälle signifikant und der Grenzübertritt leicht möglich ist“ so das Fazit des Professors.

Im Anschluss an die interessanten Ausführungen stellte sich der Redner den Fragen der Zuhörer, die kaum abreißen wollten. Der Vorstand des Fördervereins Bergbaumuseum Achthal, Roland Klosa bedankte sich bei Prof. Thüry für den interessanten Abend und bei den Zuhörern für ihr großes Interesse. Die Vortragsreihe im Bergbaumuseum, das sich auch als ein wichtiger Ort der Bildung sieht, wird im Herbst fortgesetzt. - kon